
FLECHTEN-EXKURSION
Bericht - 26. Mai 2018
Christoph Scheidegger, Flechtenexperte am WSL in Birmensdorf, entführte uns in eine absolut faszinierende und fremde Welt der Flechten entlang des Haselbachs bis Wissenbach oberhalb des Schiessstandes. Dank seiner fundierten Kenntnisse konnte er uns einige Raritäten zeigen, die jedem Normalsterblichen verborgen geblieben wären. Ein einziger Baum kann gut und gerne 30 Flechtenarten beherbergen, wobei die Artenzahl mit dem Alter des Baumes steigt. Allerdings zählt nicht in erster Linie das Kalenderalter, sondern das morphologische Alter, also wie alt ein Baum aussieht und wieviele unterschiedliche Mikrolebensräume für Flechten er anbietet.

Am Stamm dieser Eiche zeigte uns Christoph bereits die erste grosse Rarität, die nur da vorkommt, wo Leute wie Christoph mit einer starken Lupe und UV-Licht sehr genau (sehr genau!) hinschauen.

Typischerweise wird nur der untere Stammbereich eines Baumes erforscht, wo man mit normalen Mittel ohne zu klettern hingelangen kann. Wer weiss, wo hinzuschauen, oder von Christoph dazu angeleitet wurde, der durfte manchen faszinierenden Einblick in eine vielfältige und fremde Welt der Flechten von der Exkursion mit nach Hause nehmen.
Die Bäume im Freien, wie entlang des Haselbachs, haben eine deutlich andere Flechtenflora als Bäume, die im Wald wachsen. Eine wichtige Rolle spielt der pH-Wert (Säurewert) der Borke der entsprechenden Baumart, aber auch die Rauigkeit der Borke. Darum sind auf Eiche, Esche, Ulme und Buche ganz unterschiedliche Flechtenarten zu finden, die uns Christoph auf einer zweienhalbstündigen Exkursion naher bringen konnte.
Im Anschluss an die Exkursion spendierte die NSGM eine Apéro, der von Vanessa und Gregor mit viel Liebe vorbereitet worden war. Dank des warmen und trockenen Wetters konnte der Apéro an einem lauschigen Platz am in dieser Saison ausgetrockneten Haselbach beim Schützenhaus stattfinden.
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Die Flechtenarten entlang des Haselbachs und ob Wissenbach
Die untenstehenden Fotos zeigen die wichtigsten Flechtenarten, die wir auf unserer Exkursion gefunden haben.
Die grosse Rarität an der alten Eiche zu Beginn der Exkursion war Caloplaca lucifuga, eine super-winzige Flechte, die erst im UV-Licht der Speziallupe richtig klar zur Vorscheinung kam in einer der Ritzen der rissigen Borke der Eiche. Christoph zeigte uns dabei gleich, wie man heute via Smartphone solche Entdeckungen an die Expertendatenbank weitermelden kann. Wärend dieser Schritt vermutlich von allen Teilnehmenden mit etwas Training erfolgreich erledigt werden könnte, war aber klar, dass der erste Schritt – nämlich das Auffinden solcher Raritäten – für die meisten von uns der entscheidende und limitierende Faktor ist.
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Deutlich häufiger ist hingegen Xanthoria parietina mit ihrem meist leuchtend gelben Erscheinungsbild. Vermutlich werden alle ExkursionsteilnehmerInnen in den kommenden Tagen überrascht sein, wo man diese Flechte alles in unserem Dorf finden kann. Auch Flechten mit rot-bräunlichen Fruchtkörpern wie die Bacidia rubella sind farblich sehr ansprechend.
Die Parmelia caperata auf einer Esche zeigt eine Flechtenart, die im Tessin sehr verbreitet ist auf Edelkastanien. Und ganz besonders attraktiv sind die so genannten Becherflechten, hier die Cladonia chlorophaea auf einer Ulme, die Fruchtkörper wie kleine Rotweingläser ausbildet.
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Absolut faszinierend war die Flechtengattung Verrucaria (neu: Bagliettoa), die einen moosbewachsenen Stein an einer Stelle leuchtendweiss aufscheinen liess. Als Vorbeiwandernder hätte man gemeint, jemand hätte einfach das Moospolster mutwillig entfernt und der Regen hätte dann den blanken Stein sauber gewaschen. Beim genauen Hinschauen mit der Lupe zeigte sich aber überall das charakteristische Muster des hellen Flechtenlagers mit darin eingebetteten dunklen Fruchtkörpern in Millimetergrösse. Diese Flechte lebt in den obersten Millimetern des verwitternden Kalksteins und ist auf neutrale bis basische Bedingungen angewiesen, um zu überleben.
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Auf der Buche (siehe letztes Bild) fällt auf, dass viele Flechtenlager extrem breit aber schmal in der vertikalen Richtung sind. Das hat damit zu tun, dass die Flechten den Baum bereits im Jugendstadium besiedelt haben und mit dem sekundären Dickenwachstums des Baumes einfach in die Breite gezogen wurden. Da sich Flechtenzellen wie Zellen anderer Lebewesen recht häufig erneuern, entstand dadurch eine längliche Flechtenpopulation, wobei vor allem die Fruchtkörper beziehungsweise deren Farbe eindeutich auf unterschiedliche Flechtenarten hinweisen.
Eine absolut faszinierende Besonderheit war aber die Schriftflechte Graphis scripta, die dunkle Fruchtkörper bildet, die an Hieroglyphen oder chinesische oder japanische Schriftzeichen erinnern. Allerdings hat bis jetzt noch kein Flechtenexperte entziffern können, was uns die Flechte mit diesen Schriftzeichen mitteilen möchte. Vielleicht ganz eifach "bewundere mich" oder "schone mich"?
Text: Werner Eugster; Fotos: Werner Eugster, Christoph Scheidegger (1)
Update: 05. Juni 2018
Bevorstehende Veranstaltungen
- Sa., 13. MaiMettmenstetten